RESTLICHT - BERND NICOLAISEN, 2004-2015


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RESTLICHT
HYBRIDFORM ZWISCHEN FOTOGRAFIE UND LICHTKUNST


Klaus Honnef

Von Lichtbildern war früher die Rede, wenn Fotografien ein bestimmendes Merkmal zugewiesen wurde. Dabei handelt es sich bei – analog – fotografierten Bildern in Wirklichkeit um Schattenbilder. Gleichwohl löst das Licht den fotografischen Prozess erst aus. Es setzt den Automatismus in Gang, der die entscheidende Differenz zu allen handwerklichen Bildverfahren markiert.

Restlicht nennt man das Licht, das vor Anbruch der Nacht vom Tage übrig bleibt. Das Restlicht erzeugt eine besondere, meist als poetisch apostrophierte Stimmung. Um es fotografisch nutzbar zu machen, bedarf es beträchtlicher Geduld. Restlicht ist auch der Titel eines fotografischen Projektes von Bernd Nicolaisen, das sich von Bildern mit konventionellen Lichtdarstellungen unterscheidet.

Einerseits ist das Licht nicht nur die Ursache dessen, was in Nicolaisens Bildern sichtbar wird, sondern es ist auch ihr Gegenstand. Wie etwa bei Fotogrammen, den kameralosen Bildern, mit denen das Unternehmen Fotografie einmal begonnen hat. Oder bei den Bildern der sogenannten Lichtgrafik (Lichtmalerei) von Heinz Hajek-Halke über Chargesheimer bis Heinz Mack. Was außer dem Licht in den Bildern von Bernd Nicolaisen noch sichtbar wird, wirkt zwar ebenfalls abstrakt wie in den Bildern der genannten Künstler, ist tatsächlich aber Widerschein einer konkreten, einer erfahr- und (auch) greifbaren Realität. Angesichts der Bilder von Nicolaisen versagen die Kategorien herkömmlicher Zuschreibung. Deshalb ist es einfacher, zu sagen, was die Bilder nicht, als was sie sind. Sie weisen verblüffende Verbindungen mit Fotogrammen auf. Allerdings nur mit solchen, die sich dem natürlichen Licht verdanken. Gleichwohl werden sie mithilfe einer Balgenkamera mit spezifischer Technik und von einem Autor mit eigener Sicht aufgenommen. Das Licht ist also nicht ihr einziger Kreativfaktor. Von der Lichtmalerei grenzen sie sich hingegen dadurch ab, dass sie weder mittels künstlicher Lichtquellen noch einer Bewegung dieser Lichtquellen hergestellt werden. Nicht weniger wesentlich: Das Licht ist zwar Gegenstand der Werke, erzeugt aber ein Bild von etwas und vergegenwärtigt sich nicht ausschließlich selbst. Vielleicht kann man Nicolaisens Bildobjekten eine prinzipielle Nähe zu den Lichträumen von Künstlern wie etwa Adolf Luther oder James Turrell zusprechen, welche die Räume, in denen sie ihre Werke entfalten, gleichzeitig zur Erscheinung bringen. Entstanden – buchstäblich – sind die Bilder in isländischen Höhlen aus tausendjährigem Gletschereis im Zeitraum von zehn Jahren. Das Leuchten, das durch die Eisschichten dringt, in die sich über die Zeiten Lavaspuren eingeschliffen haben, ist als Restlicht vielfach gefiltertes, gebrochenes sowie reflektiertes Licht. Es erhellt die Höhle nur spärlich. Die Lavaspuren treten als Strukturelemente hervor. Die Zeit verdichtet sich im Bild wie im Eis. An dieser »Eis-Zeit« gemessen indes trotz Langzeitbelichtung rasend schnell.

Die fertigen Bilder zeigt Nicolaisen – ähnlich wie Jeff Wall – in Leuchtkästen. Es sind Bildobjekte, die er zudem in einem höhlenartigen Ambiente platziert, wie es die Krypta des Zürcher Großmünsters als Ausstellungsort vermittelt. So wird beim Betrachter ein fröstelndes Gefühl der physischen Teilhabe hervorgerufen. Darüber hinaus erweckt die spezifische Präsentation Assoziationen an die symbolischen Bedeutungen des Lichts in nahezu allen Kulturen als Metaphern des Göttlichen und der Wahrheit. Im Projekt Restlicht scheint nicht zuletzt eine überraschende Variante des berühmten Höhlengleichnisses Platos in Form einer alternativen Möglichkeit auf. Denn sogar in Schattenwelten vermag das Licht einzusickern – man muss es nur suchen. Bernd Nicolaisen hat es eingefangen: In Restlicht manifestiert sich eine Hybridform von Fotografie mit dokumentarischem Anspruch und Lichtkunst im modernen Sinne.

KATALOG
Restlicht - Bernd Nicolaisen
Photographs – Tableaux – Lightboxes - 2004-2015, Iceland

Einführung von Prof. Klaus Honnef, mit Texten von Dr. Andrea Henkens, Andreas Staeger, Christoph Sigrist und Stephan Reisner, 2015.
Gestaltung: Walter Stähli
Verlag: Hatje Cantz
192 S., 103 Abb., 24,5 x 29,5 cm, Leinen
ISBN 978-3-7757-4061-6

Wissenschaftlich begleitet durch:
Prof. Björnsson Helgi, Research Scientist, University of Iceland, ICL